„Ich rufe: Gewalt und Unrecht“: Offener Brief von Christinnen und Christen in Belarus
Belarusische Christen verschiedener Konfessionen fordern in einem gemeinsamen Appell ein Ende der Gewalt im Land, die Wiederherstellung von Recht und Ordnung und faire Neuwahlen.
„Wir bitten alle, zu Gott zu beten und alles Menschenmögliche zu tun, um Frieden, Eintracht und Gerechtigkeit in Belarus, unserem gemeinsamen Haus, wiederherzustellen. Wir fordern alle Christen auf, öffentlich gegen Gesetzlosigkeit und Gewalt in Belarus zu Stellung zu beziehen, denn ein Schweigen bedeutet Kollaboration mit den Unterdrückern“, heißt es in dem offenen Brief, den Tausende Vertreter verschiedenster Konfessionen aus allen Regionen von Belarus unterzeichnet haben.
Hier ist der vollständige Text des Briefes:
OFFENER BRIEF DER CHRISTEN VON BELARUS
Denn sooft ich rede, muss ich schreien; Gewalt und Unrecht!
Bibel, Jeremia
„Wir, Gläubige aller christlichen Konfessionen in Belarus, erklären, im Bewusstsein unserer Verantwortung vor Gott und der Gesellschaft:
- Die bewusste Falschdarstellung der Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen vom 9. August 2020, die gefälschten Zeugenaussagen vor Gericht, die Desinformation in den Medien, die wissentlich unrechtmäßigen Urteile – dies sind nicht nur Verstöße gegen die Gesetze der Republik Belarus, sondern auch schwere Sünden. „Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen gegen Deinen Nächsten“ – dies ist ein Gebot Gottes.
- Der Einsatz von Waffen durch die Sicherheitskräfte von Belarus, der zum Tod von Zivilisten geführt hat, die Folterungen und schweren körperlichen Misshandlungen haben die politische Konfrontation in eine moralische und ethische verwandelt. Jede Unterstützung gesetzeswidriger Handlungen von Regierungsbehörden ist unmoralisch. Über die Gesetzlosigkeit in Belarus zu schweigen heißt, Zehntausenden von Menschen im ganzen Land Leid zuzufügen.
„…Diese Dinge sind dem HERRN […] ein Gräuel: Stolze Augen, falsche Zunge und Hände, die unschuldiges Blut vergießen, ein Herz, das heillose Anschläge schmiedet, Füße, die eilig dem Bösen nachlaufen, wer Lügen vorbringt als falscher Zeuge“ (Bibel, Sprüche 6,16).
Die Stimme für Wahrheit und Gerechtigkeit zu erheben ist das Verlangen aller Christinnen und Christen, die nach der Moral des Evangeliums und im Einklang mit ihrem Gewissen leben, das die Stimme Gottes in ihnen ist.
Deshalb appellieren wir, Christinnen und Christen von Belarus, an alle Vertreter der staatlichen Organe, alles in Ihrer Macht Stehende zu tun, damit:
- die Gewalt gegen belarusische Bürger, die im Einklang mit Artikel 33 der Verfassung der Republik Belarus friedlich ihre Meinung über die Lage im Land äußern, beendet wird;
- der Rechtsstaat wiederhergestellt wird. Dafür müssen alle politischen Gefangenen freizulassen und Vertreter von Regierungsbehörden, die gegen die Gesetze der Republik Belarus verstoßen haben, gerichtlich zur Verantwortung gezogen werden;
- baldmöglichst neue Präsidentschaftswahlen im Einklang mit der Gesetzgebung der Republik Belarus abgehalten werden können. Die Wahlen müssen internationalen demokratischen Standards entsprechen.
Wir sind zuversichtlich, dass die Erfüllung dieser Forderungen die Klagen der belarusischen Bürger gegenüber den Regierungsbehörden ausräumen und den gesellschaftlichen Frieden wiederherstellen wird.
Wir möchten unser Mitgefühl mit allen Opfern zum Ausdruck bringen. Die Herzen der Christinnen und Christen in Belarus und die Türen unserer Kirchen stehen allen Hilfsbedürftigen, ungeachtet ihrer politischen Haltung, offen.
Wir unterstützen die Bürgerinnen und Bürger von Belarus, die friedlich ihr gottgegebenes und verfassungsmäßiges Recht auf Äußerung ihrer Meinung und Überzeugung im Einklang mit dem Gesetz wahrnehmen.
Wir bitten alle, zu Gott zu beten und alles Menschenmögliche zu tun, um Frieden, Eintracht und Gerechtigkeit in Belarus, unserem gemeinsamen Haus, wiederherzustellen. Wir fordern alle Christinnen und Christen auf, öffentlich gegen Gesetzlosigkeit und Gewalt in Belarus zu Stellung zu beziehen, denn ein Schweigen bedeutet Kollaboration mit den Unterdrückern.“
Die Liste der Unterzeichner: 6279.