Erklärung der Arbeitsgruppe „Christliche Vision“ des Koordinierungsrates zum Hungerstreik des christlichen Intellektuellen Vladimir Matskevich

Seit über einem halben Jahr befindet sich der Philosoph, Methodologe, Schöpfer der „Fliegenden Universität“, der christlich-reformierte Intellektuelle Vladimir Matskevich in Haft im Untersuchungsgefängnis Nr. 1 in Minsk, nachdem er am 4. August 2021 festgenommen worden war. Angeklagt wurde er nach § 342 StGB („Organisation von Handlungen, die die öffentliche Ordnung grob verletzen“), jedoch steht der Verhandlungstermin noch nicht fest und die Haftdauer des 65-jährigen Philosophen wird immer wieder verlängert.

Am 4. Februar 2022, nach einer weiteren Verlängerung der Haftzeit, wurde Vladimir Matskevich gezwungen, extreme Maßnahmen zu ergreifen und in den Hungerstreik zu treten mit der Forderung, dass der Verhandlungstermin endgültig festgesetzt und die vorbeugende Maßnahme geändert wird und auch er selbst Besuch von einem evangelischen Pfarrer empfangen gestattet bekommt.

Dies ist nicht der erste Hungerstreik, den Vladimir Matskevich führen muss. 2006 unterstützte er den Hungerstreik von Gläubigen der New Life Full Gospel Church, indem er sein Inspirator und Teilnehmer wurde. Dieser radikale Protest gegen die Verfolgung war die letzte Möglichkeit für die Gläubigen ihr Kirchengebäude, das aus einem Kuhstall umgebaut wurde, zu schützen. Infolge eines Hungerstreiks im Jahr 2006 und dank einer umfangreichen Kampagne christlicher und sozialer Solidarität gelang es der Kirchengemeinde, das Gebäude zu verteidigen, das die Behörden zu beschlagnahmen versucht hatten.

Vladimir Matskevich ist seit 2000 eine aktive Persönlichkeit in der christlichen Gemeinschaft von Belarus. Der Glaube spielt eine wichtige Rolle in seinem persönlichen und gesellschaftlichen Leben. Als Anhänger der reformierten Richtung des Protestantismus schrieb Matskevich einen Artikel über seinen Gründer Johannes Calvin für das Neueste philosophische Wörterbuch. Das Thema Christentum, christliche Prinzipien und die Organisation der Gesellschaft auf christlichen Grundlagen sind unter der Hauptthemen in den philosophischen Texten, im Journalismus und in den öffentlichen Reden von Vladimir Matskevich. Er ist Autor der „Doktrin des belarussischen Konservatismus“, die teilweise vom Organisationskomitee der Partei Belarussische Christdemokratie als ideologische Grundlage angenommen wurde.

Für den Intellektuellen und Christen Matskevich war die Gewissensfreiheit schon immer eines der wichtigsten und unveräußerlichen Menschenrechte: Von 2002 bis 2006 beteiligte sich Matskevich an der Bürgerinitiative „Für Religionsfreiheit“ gegen die Annahme einer neuen repressiven Version des Gesetzes „Über Gewissensfreiheit und religiöse Organisationen“ (2002) sowie zur Verteidigung der Religionsfreiheit in Belarus.

Wir unterstützen die Forderungen von Vladimir Matskevich, die von ihm bei der Erklärung seines Hungerstreiks aufgestellt wurden, und rufen die belarussische und weltweite christliche Gemeinschaft, insbesondere Gläubige, Theologen und Theologinnen sowie leitende Personen der reformierten Kirchen, zur Solidarität mit dem verfolgten christlich-reformierten Intellektuellen Vladimir Matskevich auf.

Wir bringen unsere Besorgnis über den körperlichen und seelischen Zustand von Vladimir Matskevich zum Ausdruck und fordern die bedingungslose Gewährleistung der Realisierung seines verfassungsmäßigen und universellen Rechts auf Religions- und Glaubensfreiheit, inklusive das Recht auf Zugang zu der von ihm benötigten religiösen Literatur, vor allem zur Heiligen Schrift, sowie die Möglichkeit der Besuche durch einen Pastor, um ihm geistlichen Beistand zu leisten.

Auf der Grundlage vom Punkt 117 der Regeln der internen Ordnung der Untersuchungshaftanstalten des Strafvollzugssystems des Innenministeriums der Republik Belarus, genehmigt durch den Erlass des Innenministeriums der Republik Belarus vom 13. Januar 2004 Nr. 3, bitten wir darum, dass ein evangelischer Pfarrer zum Häftling Matskevich Vladimir Vladimirovich, geb. 1956, festgehalten in dem Untersuchungsgefängnis Nr. 1, bis spätestens 13. Februar 2022 zugelassen wird, um ihm geistlichen Beistand zu leisten.