Antrag an die Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland für die 9. Tagung der II. Landessynode der Nordkirche
Antrag des Ausschusses für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung für eine Resolution zur Situation in Belarus
Die Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland möge am 26. Februar 2021 folgende Solidaritätserklärung verabschieden:
Seit über sechs Monaten erlebt Belarus eine Staatskrise, die von Anfang an zugleich auch eine humanitäre Krise ist. Eine maßlose staatliche Gewalt gegen friedliche Demokratinnen und Demokraten wurde von den Kirchen aller Konfessionen in Belarus bereits mehrfach verurteilt. In Verbundenheit mit diesen Geschwistern, aber auch aus unserer politischen Verantwortung heraus, erklären wir daher unsere Solidarität mit all denen, die mit friedlichen Mitteln mutig für freie Wahlen, Rechtsstaatlichkeit und die Menschenwürde eintreten. Wir sind dankbar für die zivilgesellschaftliche Kraft des friedlichen Protests. Wir sind in großer Sorge um diejenigen, die wegen ihres Engagements um Leib und Leben durch staatliche Gewalt fürchten müssen.
Die Synode der Nordkirche zeigt sich ausdrücklich solidarisch mit jenen, die aus politischen Gründen verfolgt, inhaftiert, gefoltert, vergewaltigt oder ermordet wurden, die exmatrikuliert, entlassen, erniedrigt, bedroht oder ins Exil gedrängt wurden, die Menschenrechte und Menschenwürde als Grundlage des Zusammenlebens verteidigen, die eine sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen fordern1, die sich für freie und faire Neuwahlen auf der Grundlage der Verfassung einsetzen, die für den friedlichen Übergang ihres Landes zur Demokratie persönlich viel riskieren.
Wir beten um Frieden und Recht für alle Menschen in Belarus.
Begründung
Die offenkundig gefälschten Präsidentschaftswahlen vom 9. August 2020 haben einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, der im ganzen Land Hunderttausende auf die Straßen trieb. Die Protestbewegung ist friedlich, dezentral, digital und überwiegend jung, weiblich und kreativ. Der Kontrast zwischen den weiß gekleideten Frauen mit Blumen in der Hand und den schwarz vermummten, schwer bewaffneten Sondereinheiten, die sie zum Schweigen bringen sollen, könnte größer nicht sein. Wer einmal gesehen hat, wie Jugendliche von ihrem Fahrrad geprügelt, Männer von Maskierten in Transporter ohne Kennzeichen gezerrt oder still demonstrierende Rentner:innen mit Pfefferspray auseinandergetrieben werden, den lassen diese Bilder nicht mehr los. Was bei den Wohnungsdurchsuchungen, Verhören und in den Haftanstalten geschieht, können wir nicht sehen. Die Folter geschieht im Verborgenen. Sichtbar ist aber, in welchem Zustand ihre Opfer die Ambulanzen verlassen und dass Einzelne von ihnen auch schon zu Grabe getragen wurden.
Wir empfinden die Verantwortung, die für uns als Deutsche aus der Geschichte erwächst. Das belarusische Volk hat unter der deutschen NS-Diktatur unsägliches Leid ertragen müssen. Die Folgen sind bis heute wirksam. Demokratie und Menschenrechte dürfen kein Privileg mehr für Menschen sein, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort geboren sind.
Der heutige Ruf nach Freiheit und Demokratie kann die Befreiungsbewegung von vor 30 Jahren in Osteuropa fortsetzen. Alle europäischen Gesellschaften müssen den Wert von Recht und Gerechtigkeit wahren und immer neu für Demokratie und Freiheit streiten.
Husum, den 09.02.2021
Für den Ausschuss:
gez. Friedemann Magaard, Vorsitzender